50 Jahre legendäres Weltcupfinale in St. Ulrich

1975 ist das Jahr, in dem der Vietnamkrieg zu Ende geht und Spaniens Diktator Francisco Franco stirbt. Es ist das Jahr, in dem Muhamed Ali den „Thrilla in Manila“ gegen Joe Frazier für sich entscheidet, in dem Michael Walchhofer, Renate Götschl und Daniela Ceccarelli geboren werden und in dem die Rockband Queen „Bohemian Rhapsody“ und somit ihren ersten Nummer-1-Hit veröffentlicht. Es ist das Internationale Jahr der Frau – und es ist das Jahr des legendären Weltcupfinales auf dem Ronc-Hang in St. Ulrich.
Die drei besten Skifahrer der Welt rangieren an diesem 23. März 1975 vor dem letzten Rennen, dem Paralleltorlauf, der erstmals in der Geschichte des Weltcups ausgetragen wird, mit jeweils 240 Punkten gleichauf an erster Stelle. Es handelt sich um den Österreicher Franz Klammer, damals 21 Jahre alt, den zwei Jahre jüngeren Ingemar Stenmark aus Schweden und Gustav Thöni, 24 Jahre alt aus dem kleinen Bergdorf Trafoi am Fuße des Ortlers. Klammer wird in diesem epischen Finale sofort eliminiert, und zwar vom späteren Renndirektor der FIS, Helmuth Schmalzl.
Damit wird die Entscheidung zwischen Stenmak und Thöni fallen, die es tatsächlich Runde für Runde bis ins Finale schaffen und dort dann im Duell der Giganten aufeinandertreffen. 40.000 Zuschauer wohnen dem Herzschlagfinale bei. Sie verwandeln den Ronc-Hang und den Zielraum in einen wahren Hexenkessel, wie man es sonst nur vom Fußball kennt. Die Spannung ist fast nicht zum Aushalten.
Stenmarks Einfädler besiegelt Thönis Sieg
Gustav Thöni und Ingemar Stenmark stehen im alles entscheidenden Lauf in den Startblöcken. Ein Raunen geht durch die Zuschauerreihen, als die beiden Ausnahmekönner den Kampf um die große Kristallkugel aufnehmen. Beide Ausnahmekönner haben bereits jeweils einen Lauf gewonnen.
Jetzt, im entscheidenden dritten Durchgang, geht es für den Skandinavier und den „Azzurro“ um alles oder nichts. Und dann passiert es: Stenmark fädelt beim drittletzten Tor ein und damit steht fest: Gustav Thöni hat den Gesamtweltcup zum vierten Mal gewonnen. Das heimische Publikum und Millionen von Zuschauern vor den Fernsehschirmen sind wie aus dem Häuschen. Unbeschreibliche Freudenszenen spielen sich entlang der Strecke und im Zielraum ab, Unbekannte liegen sich jubelnd in den Armen. Gustav Thöni hat seinen Legendenstatus weiter ausgebaut, ziert in den nächsten Tagen die Titelbilder der lokalen und nationalen Gazetten.
Für Gustav Thöni ist es eine späte Genugtuung, eine Art Wiedergutmachung. Denn im WM-Slalom von 1970 war der Vinschger auf demselben Hang „nur“ Vierter geworden und haarscharf an seiner ersten WM-Medaille vorbeigeschrammt, die zwei Jahre später folgen sollte. Historisch ist dieses Weltcup-Finale in St. Ulrich auch deshalb, weil zum ersten Mal in der Geschichte des Skiweltcups eine neue Art von Sport-Werbung Einzug gehalten hatte. Der Milchproduzent „Parmalat“ hatte im Vorfeld des Events um 25 Millionen Lire (ca. 13.000 Euro) die Rechte für das Rennen gekauft.