Gröden 2006: Ein Star verabschiedet sich, ein neuer kommt
Am 10. Dezember, fünf Tage vor dem Super G, gab die FIS grünes Licht für die Austragung der beiden Weltcuprennen auf der Saslong. Der internationale Skiverband riskierte viel, denn zum Zeitpunkt der Zusage waren die Wiesen grüner als die „Weltcup-Ampel“. Die FIS vertraute auf die Wetterprognose, die einen Temperaturrückgang prophezeite und eine künstliche Beschneiung ermöglichen sollte. Das Vabanque-Spiel ging auf, das Pistenarbeiterteam um Horst Demetz und Rainer Senoner präparierte in drei Tagen die Piste. Auf der Mannschaftsführersitzung am Dienstag lobte FIS-Renndirektor Günther Hujara das Grödner OK: „Ich weiß nicht, wo ihr in den vergangenen drei Tagen den ganzen Schnee hergezaubert habt, aber vor zehn Minuten sind die Arbeiten an der Piste beendet worden und die Saslong ist jetzt rennfertig.“ Da hat wohl eine wundersame Schneevermehrung stattgefunden.
Trotz der prekären Schneesituation bis wenige Tage vor den Rennen präsentierte sich die Piste unter dem Langkofel so anspruchsvoll wie lange nicht mehr. Die Strecke war längst nicht so eisig wie in anderen Jahren, die Schwierigkeiten lagen vor allem in den stärker ausgeprägten Geländekuppen. Vor allem die Kompression im oberen Streckenabschnitt und die Ciaslat-Wiese hatte es in sich. Stellvertretend für alle brachte es FIS-Präsident Gianfranco Kasper auf den Punkt: „Die Saslong befindet sich in einem perfekten Zustand. Diese Strecke wird viel interessanter, wenn weniger Schnee auf ihr liegt“. Interessanter, aber weniger gefährlich. Insgesamt gab es in der ganzen Weltcupwoche mit ihren zwei Trainingsläufen und zwei Rennen nur eine Handvoll Stürze, die bis auf einen glimpflich ausgingen. Stefan Guay, Juniorenweltmeister im Riesentorlauf, zog sich bei seinem Abflug im ersten Training einen Kreuzbandriss im rechten Knie zu.
Bis zum Jahr 2006 hat auf der Saslong in 49 Weltcuprennen kein US-Boy einen Sieg feiern können, ausgerechnet im Jubiläumsrennen beendete Bode Miller diese Misserfolgsserie. Der extravagante Gesamtweltcupsieger von 2005 gewann auf der Saslong, obwohl er nicht in seinem geliebten Wohnwagen übernachten durfte, sondern mit einem luxuriösen Hotelzimmer vorlieb nehmen „musste“. Doch obwohl Miller im Hotel angeblich so schlecht geschlafen hat (O-Ton Miller: „Bin um 4.45 Uhr aufgewacht und konnte nicht mehr einschlafen“) sicherte sich Miller auch noch die erstmals ausgetragene „Dolomiti Super Trophy“, die mit 25.000 Euro dotiert war.
Seinen ersten großen Sieg im Skiweltcup feierte hingegen Steven Nyman, der nach Millers amerikanischen Premierensieg im Super G mit seinem Erfolg in der Abfahrt gleich das US-Double perfekt machte. Während Miller mit Respektabstand vor Christoph Gruber (AUT) und John Kucera (CAN) siegte, lag Nyman am Ende nur zwei Hundertstelsekunden vor dem Dominator der Trainingsläufe, dem Schweizer Didier Cuche, und dem Olympiasieger von 2002, Fritz Strobl (AUT). Trotz der Podestränge von Gruber und Strobl waren die Österreicher die großen Enttäuschten des Gröden-Wochenendes, weil sie in den Speed-Disziplinen in der Saison 2006/07 noch immer auf den ersten Sieg warten mussten. Fritz Strobl konnte sich dennoch über seinen dritten Platz freuen. Verständlich, belegte er in der Vergangenheit doch drei Mal den undankbaren vierten Platz und schaffte es heuer zum ersten Mal auf das Siegespodest. „Heuer hatte ich das Glück auf meiner Seite. Nach den vielen vierten Plätzen hat mir eine Hundertstelsekunde den dritten Platz gerettet“, so Strobl.
Gröden 2006 war auch der Abschied von Kristian Ghedina. Der mit Franz Klammer erfolgreichste Abfahrer auf der Saslong (jeweils vier Siege) fuhr am 16. Dezember, auf den Tag genau 17 Jahre nach seinem ersten Rennen in Gröden, mit der Skiausrüstung von damals zum letzten Mal über seine erklärte Lieblingspiste. Zwar durfte Ghedina „nur“ als Vorläufer an den Start gehen, trotzdem machte er seinen Abschiedslauf zu einem Spektakel für die Zuschauer. Vor drei Jahren in Kitzbühel wagte Ghedina nur eine Grätsche, in Gröden bei seinem Abschiedslauf „grätschte“ er beim Sprung über die Kamelbuckel und beim Zielsprung.
Vielleicht lebt Ghedinas „Skigeist“ ja in Steven Nyman weiter. Ein Stück Ghedina fährt beim neuen Siegfahrer jedenfalls mit: Nyman wird nämlich von Ghedinas Servicemann Leo Mussi betreut und wahrscheinlich hat gerade Mussi die zwei Hundertstelsekunden aus Nymans Ski herausgekitzelt, die ihm am Ende den ersten Sieg bescherten.
Thomas Ohnewein