Gröden 2009: Premiere für Svindal, Osborne-Paradis tröstet Kanada
von Manuel Osborne-Paradis (25) in der Abfahrt am Samstag gerade recht, um die gebeutelte kanadische Skifahrerseele zu trösten. Im Super G feierte hingegen Gesamtweltcupsieger Aksel Lund Svindal seinen Premierensieg auf der Saslong. Auch er hatte sich zu Saisonbeginn verletzt, meldete sich mit dem Gröden-Erfolg aber als heißer Medaillenkandidat für Olympia 2010 zurück.
Eigentlich paradox:
Weder beim Training noch bei den Rennen auf der Saslong gab es heuer schwere Stürze, aber trotzdem dominierte das Thema Sicherheit die Grödner Weltcupwoche 2009. Dies hatte einen einfachen Grund: Mit Peter Fill (ITA), Lara Gut (SUI), Nicole Hosp (AUT), Thomas Lanning (USA), John Kucera (CAN) und Pierre-Emmanuel Dalcin (FRA) hatte sich bereits vor Gröden ein halbes Dutzend der Topfahrer im Weltcup schwere Verletzungen zugezogen. Die Liste ließe sich fast beliebig erweitern, beispielsweise um die drei Kanadier Jean-Philippe Roy, Kelly Vanderbeek oder Larisa Yurkiw, die ausgerechnet vor den Olympischen Spielen im kanadischen Vancouver schwer verletzt w.o. geben mussten. Und auch in Gröden blieben der Weltcuptross nicht von Verletzungen verschont: Tobias Stechert (GER) und Francois Bourque (CAN) rissen sich das Kreuzband - ohne zu stürzen.
Verletzungen: Athleten fordern mehr Sicherheit
In Gröden hatte der internationale Skiverband FIS die Athleten und Trainer zu mehreren Treffen zum Thema Sicherheit eingeladen. Werner Heel (ITA), der im Vorjahr noch den Super G in Gröden gewonnen hatte und mit fünf weiteren Fahrern an der Aussprache teilgenommen hatte, berichtete über die Forderungen der Athleten, die sich u.a. eine bessere medizinische Versorgung, mindestens zwei Hubschrauber an der Strecke oder eine bessere Gestaltung des Weltcup-Kalenders wünschen. Die Treffen mit den Athleten und den Trainern seien sehr produktiv verlaufen, meinte denn auch FIS-Renndirektor Günter Hujara. So könnten schon bei den nächsten Rennen erste Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit umgesetzt werden. „Bei den kommenden Speedrennen setzen wir Torflaggen ein, die mit Klettverschluss an den Stangen befestigt sind, sich leicht lösen und dadurch Verletzungen vermeiden helfen“, erklärte Hujara. Zudem sei die Finanzierung einer internationalen Gruppe von Wissenschaftlern garantiert, die künftig Sicherheitsforschung betreiben werden. Außerdem konnte Hujara von der Einigung mit einem Protektorenhersteller berichten, der in Zukunft die Athleten während der Rennen mit Sensoren ausstatten soll. Auf diese Weise will man die Kräfte messen, die während der Rennen auftreten und darauf aufbauend das Material und die Schutzbekleidung weiterentwickeln.
Pechvogel Heel
Ausgerechnet Werner Heel, der mit der FIS über bessere Sicherheitsmaßnahmen diskutiert hatte, war beim Rennen das nächste Verletzungsopfer. Nach seinem Sturz im Super G fuhr der Südtiroler zwar noch auf den eigenen Skiern ins Ziel. Am Nachmittag stellte sich heraus, dass er sich einen Bändereinriss im Knie zugezogen hatte, der zwar in drei Wochen auskuriert sein sollte, aber für Heel zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt kam. In den beiden Abfahrtstrainings gehörte Heel zu den Schnellsten und gemeinsam mit Michael Walchhofer (AUT), Aksel Lund Svindal (NOR) und Didier Cuche (SUI) gehörte der Super G-Sieger von 2008 zu den Favoriten für den Abfahrtssieg. Alles in allem hatte Heel aber noch Glück im Unglück, denn den Kanadier Francois Bourque erwischte es im Super G deutlich schlimmer. Bourque riss sich an der Stelle, an der Heel gestürzt war, das Kreuzband, ohne jedoch zu Sturz zu kommen. Ähnlich hatte es schon am Mittwoch im ersten Training zur Abfahrt den Deutschen Tobias Stechert erwischt, der zwar ebenfalls nicht zu Sturz kam, aber sich wie Bourque das Kreuzband riss.
Jankas Brille
Nach dem Ausfall von Werner Heel holte der Super G-Weltmeister von 2007, Patrick Staudacher, für die Lokalmatadoren die Kastanien aus dem Feuer und fuhr auf den dritten Platz. Für den Südtiroler war es der erste Podestplatz seiner Karriere. Vor Staudacher platzierte sich der Schweizer Carlo Janka, der nach seinen drei Siegen in Beaver Creek und seinen drei „Nullern“ in Val d’Isere wieder auf die Erfolgsstraße zurückkehrte. Der Eidgenosse hat seinen vierten Saisonsieg nur um 0,12 Sekunden verpasst. Diesen Rückstand hatte wohl die Brille des 23-Jährigen zu verschulden: Diese hatte sich verschoben, als Janka ein Tor zu eng angefahren war und sich daraufhin sein Gesicht an der Torstange anschlug.
Svindals Premiere
Jankas Missgeschick nützte Aksel Lund Svindal für seinen ersten Sieg auf der Saslong, der gleichzeitig auch sein erster Sieg im Olympiawinter war. Der amtierende Gesamtweltcupsieger hatte sich zu Saisonbeginn eine Wadenverletzung zugezogen und fand nur langsam zu seiner Form zurück. „Ich hatte hier zwei Chancen und habe gleich die erste genutzt“, so Svindal nach seinem Erfolg. Gut, dass der Norweger seine erste Chance genützt hat, denn bei der Abfahrt am Tag danach gab es für Svindal nichts zu holen. Der 27-jährige Allrounder landete nur auf dem 17. Platz.
Kein Triple für Walchhofer
Doch nicht nur Svindal patzte, auch für den Topfavoriten Michael Walchhofer erfüllte sich der Traum vom dritten Sieg in Folge auf der Saslong nicht. Dieses Kunststück war bisher nur Walchhofers Landsmann Franz Klammer gelungen, der 1975 und 1976 in Gröden drei Abfahrten en suite gewonnen hatte. Walchhofer legte zwar eine optisch perfekte Fahrt hin, doch dürfte dem Österreicher der Wind- und Wettergott nicht gnädig gewesen sein: Wie die anderen Topfavoriten mit den Startnummern zwischen 17 und 23 hatte Walchhofer im oberen Streckenabschnitt Gegenwind. So ging auch Didier Cuche, der heuer mit einer gebrochenen Rippe nach Gröden gekommen war, mit Platz 10 leer aus und der vierte des Favoriten-Quartetts, Werner Heel, konnte wegen seinem Super G-Sturz in der Abfahrt gar nicht mehr an den Start gehen. Anstelle des Favoriten-Kleeblatts kletterten vier Außenseiter auf das Podest.
Vier Fahrer auf den ersten drei Plätzen
Den dritten Platz teilten sich der Schweizer Routinier Ambrosi Hoffmann (32) und der Franzose Johan Carey (28), die mit 0,25 Sekunden Rückstand auf Sieger Osborne-Paradis im Ziel waren. Platz zwei ging an den Österreicher Mario Scheiber, für den mit diesem Podestrang eine fast zweijährige Durststrecke zu Ende gegangen war. Mit dem zweiten Rang auf der Saslong hat der Osttiroler Scheiber elf Stockerlplatzierungen zu Buche stehen, seinen ersten Weltcupsieg verfehlte der 26-Jährigen in Gröden um 0,13 Sekunden. Diesen Vorsprung hat der Gleitspezialist Manuel Osborne-Paradis, der mit seinen 25 Jahren auch der jüngste Fahrer am Podest war, wohl in der technisch anspruchsvollsten Passage auf der Saslong, der Ciaslat-Wiese, herausgefahren. Osborne-Paradis zu seiner Fahrt: „Letztes Jahr war ich schon Dritter. Ich dachte auch im Sommer immer wieder an diese Strecke und wollte diesen Erfolg hier unbedingt. Im Training bin ich immer eine gute Linie gefahren, aber ich war immer langsam. Deshalb habe ich für das Rennen die Taktik gewechselt und hätte am Ende eine noch engere Linie fahren können.“
Osborne-Paradis feiert bittersüßen Sieg
Für Osborne-Paradis schmeckte der Triumph in Gröden „bittersweet“, weil sich an den fünf Tagen vor dem Rennen vier seiner Teamkolleginnen und –kollegen schwer verletzt hatten. Jean-Philippe Roy zog sich im Riesentorlauf von Val d'Isere einen Kreuzbandriss im rechten Knie zu, Larisa Yurkiw sowie Kelly Vanderbeek Kreuzbandrisse im Abfahrtstraining in Val d'Isere im linken Knie.
Debakel für die Hausherren
Zwar keine Verletzten, dafür aber ein katastrophales Ergebnis hatten die Italiener zu beklagen. Der Beste der Hausherren war der junge Dominik Paris, der als 28. zumindest ein paar Weltcuppunkte einheimste. Gar nur auf Platz 52 landete Christof Innerhofer. Die Saslong liegt dem Bormio-Sieger von 2008 einfach nicht. Bei der Abfahrt hat Innerhofer zwar über vier Sekunden auf Sieger Osborne-Paradis verloren, dafür hat er den Preis für den coolsten Spruch der Woche gewonnen: „Bei diesem Ergebnis braucht es keine Analyse, denn wenn die anderen Fahrer schon im Ziel sind, bin ich noch oben in der Ciaslat-Wiese.“
Thomas Ohnewein