Gröden 2010: Fest in schweizerisch-österreichischer Hand
Kristian Ghedina und von seinem österreichischen Landsmann Franz Klammer eingestellt: Die Rede ist von Silvan Zurbriggen (SUI) und Michael Walchhofer (AUT), die das ewige Duell zwischen den führende Skinationen Österreich und Schweiz wieder einmal befeuerten.
Die Rivalität zwischen der Schweiz und Österreich ist so alt wie der Skiweltcup selbst. 517 Siege haben die Schweizer seit der Einführung des FIS-Weltcups zu Buche stehen, 749 die Österreicher. Auch auf der Saslong haben sich die beiden Alpenländer das Gros der ersten Plätze untereinander aufgeteilt. Von den 59 Weltcuprennen unter dem Langkofel haben 20 die Österreicher und 17 die Schweizer gewonnen. Klar, dass für die anderen Nationen deshalb nur die Krümel übrig bleiben können. Heuer war dies nicht anders.
Unentschieden im ewigen Duell
Die ewigen Rivalen aus der Schweiz und aus Österreich haben sich die Lorbeeren gerecht aufgeteilt und je einen Sieg mit nach Hause genommen. Für die anderen Nationen blieb deshalb nicht viel übrig, zumal auch die sechs Podestplätze heuer mit zwei Ausnahmen von den Eidgenossen bzw. den Alpenrepublikanern in Beschlag genommen worden waren. Doch immerhin sahen die Deutschen durch Platz zwei von Stephan Keppler im Super G gerade rechtzeitig vor der WM in Garmisch-Partenkirchen einen Hoffnungsschimmer am Horizont und die Franzosen konnten sich mit Platz sechs von Guillermo Fayet trösten. Mit Nummer 49 preschte er in der Abfahrt noch auf Platz 6 vor. Die Équipe Tricolore hatte zuvor einige Schrecksekunden zu überstehen: Zunächst stürzte David Poisson spektakulär an den Kamelbuckeln, dann warf es Johan Claret in der Ciaslat-Wiese in die Fangnetze. Für beide endeten die Stürze glimpflich.
Ebenfalls körperlich unverletzt, dafür aber mental angeschlagen beendete die italienische Mannschaft die beiden Weltcuprennen in Gröden. Im Abfahrtstraining noch als Schnellster im Ziel, enttäuschte Christof Innerhofer im Rennen auf seiner Heimstrecke wieder einmal und musste wie die übrigen „Azzurri“ mit einer Platzierung im geschlagenen Feld vorlieb nehmen.
Doch der Reihe nach. In den Trainingsfahrten auf der Saslong waren sie zwar nicht ganz vorne, doch die Routiniers Didier Cuche und Michael Walchhofer zeigten mit extrem schnellen Teilzeiten, dass der Sieg auch 2010 nur über sie führen kann, auch wenn andere im Training mit einer besseren Zeit ins Ziel fahren.
Walchhofers vierter Streich
Der Super G bestätigte diesen Eindruck. Michael Walchhofer hat beim Super G gezeigt, dass er trotz seiner 35 Lenze noch längst nicht zum alten Eisen gehört. Die Konkurrenz hatte keine Chance gegen den Österreicher, der sich in 1:34.35 Minuten vor Stephan Keppler (GER; + 0,67 Sekunden) und Erik Guay (CAN; + 0,81 Sekunden) den Sieg sicherte. Es war sein vierter auf der Saslong. Dabei hatten sich eigentlich alle schon auf eine Sensation eingestellt: Der Deutsche Stephan Keppler hatte mit Startnummer 7 eine Bombenfahrt hingelegt, an der auch die Favoriten nicht herankamen. Zumal sich die Sicht von Fahrer zu Fahrer verschlechterte und auch noch leichter Schneefall einsetzte, schien das Rennen für Keppler entschieden. Doch dann kam Walchhofer. Der 35-Jährige fuhr im oberen Teil verhalten, machte dann aber von Abschnitt zu Abschnitt Zeit gut und lag im Ziel 0,67 Sekunden vorne. Mit dem vierten Sieg in Gröden zog Walchhofer mit den Legenden Franz Klammer und Kristian Ghedina gleich, die auf der Saslong ebenfalls vier Mal auf dem obersten Siegertreppchen standen. Während Klammer und Ghedina ihre Siege alle in der Abfahrt eingefahren haben, siegte Walchhofer zwei Mal im Super G und zwei Mal in der Abfahrt. Bei der klassischen Gröden-Abfahrt am Samstag hatte Walchhofer also die Chance, mit fünf Siegen auf der Saslong als alleiniger Rekordhalter in die Geschichtsbücher einzugehen.
Zurbriggens erster Abfahrtssieg
Doch dazu sollte es nicht kommen. Wieder einmal hat die Saslong einen Überraschungssieger geboren: Der Schweizer Silvan Zurbriggen, der in der Abfahrt bisher noch nie auf das Siegerpodest gefahren ist, ließ alle Favoriten hinter sich und feierte mit einem Vorsprung von 0,06 Sekunden auf den Österreicher Romed Baumann ausgerechnet in Gröden seinen ersten Sieg in der schnellsten Disziplin. Ausgerechnet deshalb, weil Zurbriggen 2007 bei den Kamelbuckeln gestürzt war und sich beide Kreuzbänder im linken Knie gerissen hatte. Aber auch der Zweitplatzierte Baumann stand in der Abfahrt noch nie auf dem Stockerl. Schon oft auf dem Siegerpodest posieren durfte hingegen Didier Cuche, der zwar auf Platz drei fuhr, aber immer noch auf einen Abfahrtssieg in Gröden wartet.
Lange hatte der älteste Fahrer im Weltcupzirkus, der 41-jährige Patrik Jaerbyn, das Rennen angeführt. Übrigens: Jaerbyn war mit seinen 41 Lenzen der einzige Fahrer im Feld, der schon af der Welt war, als in Gröden 1970 die Skiweltmeisterschaft ausgetragen wurde. Die Veranstalter luden zum 40-Jahr-Jubiläum die Weltmeister von damals ein und ehrte sie bei einer Feier in St.Ulrich. Doch zurück zum Rennen: Didier Cuche verdrängte schließlich Jaerbyn von Platz eins. Der Schweizer glaubte für wenige Startnummern an einem möglichen Sieg, weil zunächst Klaus Kröll und dann Topfavorit Michael Walchhofer nicht an seine Zeit heranfahren konnten. Doch dann kam Zurbriggen und zerstörte wieder einmal den Traum Cuches vom Gröden-Sieg. Zwei Mal war er auf der Saslong Zweiter, heuer musste er sich schließlich mit dem dritten Platz zufrieden geben. Auch Romed Baumann fuhr Cuche in die Parade und belegte mit 0,06 Sekunden auf Zurbriggen den zweiten Platz.
Während Michael Walchhofer seinen fünften Sieg unter dem Langkofel verpasste und mit Platz fünf vorlieb nehmen musste, lief es für die Hausherren noch schlechter. Im Abschlusstraining hatte Christof Innerhofer noch die Bestzeit aufgestellt, im Rennen landete er mit 1,7 Sekunden Rückstand im geschlagenen Feld. Etwas besser machten es seine Teamkollegen Peter Fill und Werner Heel, die aber ebenfalls nichts mit der Entscheidung zu tun hatten und außerhalb der Top ten landeten.
Übrigens: Zwei Mal hieß der Sieger in Gröden schon Zurbriggen. 1983 siegte Silvans Namensvetter Pirmin in der Abfahrt und 1989 im Super G.
Thomas Ohnewein